Worte wandern und ändern ihre Bedeutung

Unter der Rubrik „Englisch kann jeder“ möchten wir heute folgende Überlegungen erläutern:

Die New York Times berichtet heute in ihrer Online-Ausgabe, dass und wie ein vulgärer Ausdruck der englischen Sprache seit Jahren im deutschen Sprachgebrauch kursiert und dort aber seiner Vulgarität entkleidet ist. Ausgerechnet Frau Merkel, immerhin Deutschlands Kanzlerin, verwendete das Wort „shitstorm“, im Deutschen Shitstorm, als sie vor eine anekdotische Begebenheit zum Besten gab. Die englischsprachige Zuhörerschaft war befremdet.

Der Vorfall zeigt, dass Fremdwörter, die den Kontext ihrer eigenen Sprache verlassen, nicht nur ihre Bedeutung leicht oder deutlich verschieben (können), sondern auch im Register schwanken. Im Deutschen beschreibt das Wort, seit 2013 dudenkanonisiert, eine Welle aufgeregter oder empörter Reaktionen im Internet. Im Englischen ist das besagte Wort nicht auf den digitalen Zusammenhang beschränkt und außerdem, dank des Fäkalverweises, ein gewisses Tabu in unangemessenen Zusammenhängen, zum Beispiel öffentlichen oder gar formellen Veranstaltungen.

Wenn deutsche Muttersprachler das vermeintlich harmlose Fremdwort vor einer englischsprachigen Zuhörerschaft verwenden, tragen sie es in seinen ursprünglichen Kontext zurück, in dem es – für die Sprecherin unbemerkt – andere Bedeutungsebenen anspricht und Reaktionen hervorruft.

Diese subtilen Verschiebungen im selben Wort sind schwer zu bemerken und noch schwieriger zu vermitteln. Es bedarf also professioneller Kenntnisse, auch um peinliche Situationen zu vermeiden.